Zeitgeschichte regional | 23. Jg., 2019, Heft 1+2

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Beschreibung

Das vorliegende Doppelheft von „Zeitgeschichte regional“ umfasst ein zeitlich und thematisch weites Spektrum vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart, unter anderem mit Beiträgen zur Demokratie-, Sport- und Industriegeschichte, zur NS-Zeit und dem Kriegsende 1945, zur Forschungs- und Museumsgeschichte, zur Stasi und einer spektakulären Fluchtgeschichte sowie zu zeitgeschichtlich interessanten Personen.
Bernd Kasten nimmt die Einführung des Frauenwahlrechts vor 100 Jahren zum Anlass zu untersuchen, wie die männerdominierten Parteien in den Wahlkämpfen auf Frauen als neue Wählerinnen eingingen, vor allem aber, welche Rolle Frauen bis 1933 als Parlamentarierinnen im Landtag spielten.
Der wichtigen Funktion des Rostocker Arbeiterfußballs widmet sich Heiko Meuser mit dem Schwerpunkt auf der Weimarer Republik sowie der Zäsur durch die NS-Zeit; er geht insbesondere auf die Vereine, die Spielorte und die wirtschaftlichen Probleme des Sports und der Sportler ein.
Für die Industriegeschichte und Stadtentwicklung GreifswaIds spielte die Eisenbahnwerkstatt seit den 1860er Jahren bis zur Schließung 1926 als größter Betrieb eine wichtige Rolle; hier wurden Lokomotiven und Waggons gewartet und instandgesetzt.
Das gewaltige NS-Bauprojekt „KdF-Seebad Rügen“, heute unter dem Namen Prora bekannt, wurde zwar bis 1945 nicht fertiggestellt, jedoch kriegsbedingt genutzt, wie Susanna Misgajski und Philipp Bayerschmidt bei der näheren Untersuchung des Einsatzes von Zwangsarbeitern, der Ausbildung von Polizeibataillonen für brutale Mordaktionen in besetzten Gebieten und der militärischen Ausbildung von Marinenachrichtenhelferinnen darlegen.
Die aktuelle Ablehnung des Gedenkens an die Opfer der NS-Zeit untersucht Hans Hesse, indem er die Zahl, Hintergründe, Reaktionen und regionale Verteilung der Schändungen der seit 1995 nicht nur in Deutschland verlegten Stolpersteine analysiert.
Zur kampflosen Übergabe der Stadt Greifswald 1945 aus der Sicht der benachbarten Landpfarrer Gottfried Holtz, Otto Haendler und deren Familien bietet Gert Haendler auch persönliche Erinnerungen. Dieses Ereignis, dargestellt von Martin Onnasch, spielt auch in der bewegenden Biographie des Greifswalder Theologen Ernst Lohmeyer eine wichtige Rolle, der als Gegner der Nationalsozialisten dorthin versetzt und 1946 von einem sowjetischen Militärtribunal wegen angeblicher Kriegsverbrechen hingerichtet wurde.
Mit ganz anderen Themen befassen sich die Autoren der folgenden Beiträge. Christoph Wunnicke betrachtet die Leninverehrung in Mecklenburg-Vorpommern in Form von Denkmälern, Gedenkstätten, Namensgebungen und Veranstaltungen, die bereits in den 1920er Jahren begann, nach 1945 fortgesetzt wurde, aber auch nach 1989 noch zu Diskussionen führte.
Horst Alsleben recherchierte, wie das ehemalige Kloster Dobbertin neben seiner Funktion als Damenstift seit 1943 für Flüchtlinge und Ausgebombte, als Heim für werdende Mütter, Arbeitsort für Zwangsarbeiter, Durchgangslager für ehemalige Kriegsgefangene, Kaserne und schließlich als Landesaltersheim in wenigen Jahren wechselnd genutzt wurde.
Die Bemühungen, die Meeresforschung in der SBZ und dann der DDR zwischen 1945 und 1965 als zivilen Forschungszweig gegenüber militärischen Interessen durchzusetzen, schildert Wolfgang Matthäus und geht dabei speziell auf die Leistungen des Wissenschaftlers Erich Bruns ein.
Einen ganz anderen maritimen Aspekt hat die dramatische, von Gerüchten begleitete Fluchtgeschichte, die Wolfgang Klietz darstellt, bei der 1968 zwei Schiffe kollidierten und die
zu politischen und juristischen Auseinandersetzungen führte.
Ebenfalls zur Seefahrt gehören die gescheiterten Planungen der SED-Bezirksleitung Rostock für den Zusammenschluss der damaligen maritimen Museen zu Beginn der 1970er Jahre, die Peter Danker-Carstensen untersucht.
Für das Ministerium für Staatssicherheit bedeuteten die 32 Intercampingplätze aufgrund der Kontaktmöglichkeiten von DDR-Bürgern und westlichen Reisenden ein Sicherheitsrisiko; Konstantin Neumann untersucht die vielfältigen Aktivitäten der Stasi in diesem Freizeitbereich am Beispiel des Campingplatzes Seehof bei Schwerin vom Ende der 1970er Jahre bis 1989.
Der Aufsatzteil dieses Heftes schließt mit zwei biographischen Beiträgen. Rainer Körber betrachtet den langen Lebensweg des Juristen Wilhelm Thiemann in vier unterschiedlichen politischen Systemen. Dieser war ohne große Brüche in seiner Berufslaufbahn vom Kaiserreich über die Weimarer Republik und die NS-Zeit bis in die SBZ/DDR in Mecklenburg und Magdeburg leitend im Justizdienst tätig.
Und Wolf Karge wirft den Blick auf einen speziellen Aspekt der Biografie des Verlegers Peter E. Erichson, nämlich sein Engagement für die Kunst.
In der Rubrik „Das Dokument“ wird ebenfalls von Wolf Karge ein Erlebnisbericht der ehemaligen Gutsbesitzerin Mary von Viereck von ihrer Reise 1950 in die Bezirke Rostock und Schwerin wiedergegeben.
Unter den Berichten aus der regionalen Geschichtsarbeit schreibt Eleonore Wolf über die Identifizierung der 98 Opfer des KZ-Außenlagers bei Neubrandenburg und die Errichtung einer Gedenktafel.
Jana Frank fragt: „Die innerdeutsche Grenze – nach 30 Jahren ein Fall für die Archäologie?“.
Martin Mehlhorn berichtet unter „Historisches Lernen“ von der Projektarbeit an einem digitalen Stadtrundgang zum Kriegsende in Demmin 1945.
In den ,,Archivmitteilungen“ beschreibt Matthias Manke das überwiegend personenbezogene NS-Archiv des MfS im Landeshauptarchiv Schwerin und ergänzt dies mit einem Exkurs zum Flieger-Lynchmord in Steffenshagen 1944.
Zwei weitere Berichte befassen sich mit der zurückgekehrten Kirchenbibliothek von St. Marien in Neubrandenburg sowie der Bibliothek des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie in Rostock und Hamburg, die auch einen großen Bestand an Seekarten umfasst.
Abschließend finden sich wieder Rezensionen und Anzeigen von Neuerscheinungen zeitgeschichtlicher Veröffentlichungen aus der Region.

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