Das tragische Schicksal des Egon Schultz
Zum 60. Todestag erinnert die Hanse- und Universitätsstadt Rostock an den Rostocker
Am 5. Oktober 2024 jährt sich der Todestag von Egon Schultz zum 60. Mal. Der tragische Tod des DDR-Grenzsoldaten und dessen politischer Missbrauch in der DDR sind ein Lehrstück auf die Geschichte der deutschen Teilung.
Erschossen bei einem Einsatz gegen illegale Fluchten in Berlin, blieben die wahren Umstände des Todes von Egon Schultz bis zum Ende der DDR unter Verschluss. Jahrzehntelang lautete die offizielle Version, der Grenzsoldat sei bei der Enttarnung eines Fluchttunnels (des sogenannten „Tunnel 57“) von illegalen westdeutschen Grenzgängern ermordet worden. Um diese Geschichte wurde in der DDR ein Heldenmythos gesponnen und Egon Schultz zum Märtyrer des Sozialismus stilisiert. Militärische Verbände, Schulen, Kindergärten, Arbeitsbrigaden und Straßen im ganzen Land trugen seinen Namen. Zahlreiche Denkmale wurden zu seinen Ehren errichtet und über sein angebliches Schicksal lernte man bereits in der Schule. Erst nach der Wende wurde es möglich, die wahren Umstände des Todes von Egon Schultz aufzuarbeiten. Nicht durch Schüsse westdeutscherFluchthelfer, sondern durch das Feuer aus der Waffe eines Kameraden kam er ums Leben. Aus dem vermeintlichenMordopfer westdeutscher Aggressoren wurde ein tragisches Opfer der deutschen Teilung und des DDR-Grenzregimes.
Heute erinnert nur noch wenig an den ehemaligen Grenzsoldaten und Volkshelden der DDR. Auch in Rostock ist vom einstigen Kult um Egon Schultz wenig geblieben, und das obwohl Egon Schultz viel mit der Stadt verband. Egon Schultz wuchs in Groß-Stove bei Rostock auf, ging in Rostock zur Schule und arbeitete vor seinem Militärdienst als Lehrer an einer Schule in Rostock-Dierkow. Auch sein Grab befindet sich in Rostock. Gerade in Rostock war der Heldenkult um Egon Schultz besonders ausgeprägt. Die Musikschule, an derer als junger Lehrer tätig gewesen ist, trug ebenso seinen Namen, wie eine Straße in der Rostocker Südstadt. Die Grabstätte auf dem Neuen Friedhof war zu DDR-Zeiten Ort offizieller Gedenkveranstaltungen. Mit der Wende jedochwollte sich das neue System vom politischen Erbe der DDR befreien. Hierzu zählte auch der Heldenkult um Egon Schultz. So erhielt die 2. POS Egon Schultz 2004 als Musikgymnasium Käthe Kollwitz einen Neuen Namen und der zugehörige Gedenkstein auf dem Schulgelände wurde unkenntlich gemacht. Die ehemalige Egon-Schultz-Straße wurde in Tychsenstraße umbenannt. Auf die Stilisierung als Märtyrer in der DDR folgte die allmähliche Streichung aus dem kulturellen Gedächtnis im geeinten Deutschland.
Dies geschah wohl auch deshalb, weil der Tod von Egon Schultz erst viele Jahre nach der Wende aufgearbeitet werden konnte. Zwar war bereits 1994 klar, dass es sich bei der Erzählung in der DDR um eine Lüge handeln musste. Aber erst in den 2010er Jahren konnten mit Hilfe kriminologischer und historiografischer Forschungsmethoden die Umstände des Todes endgültig ermittelt werden. Heute, auf Basis dieser Erkenntnisse und mit der nötigen Distanz, ist eine neutralere und ausgewogene Einschätzung des Falls Egon Schultz und des politischen Missbrauchs seines Andenkens in der DDR möglich.
weiterer Veranstaltungshinweis:
Montag, 7. Oktober 2024 ab 19 Uhr im li.wu in der Frieda 23
„Heldentod. Der Tunnel und die Lüge“ (Film 2001)
Im Böll Montagskino zeigen wir den Film „Heldentod. Der Tunnel und die Lüge“ (2001). Im Anschluss gibt es ein Gespräch mit der Filmemacherin Britta Wauer. Die Veranstaltung findet im li.wu in der FRIEDA 23 statt.
Die Veranstaltungen der Hanse- und Universitätsstadt Rostockwerden in enger Abstimmung mit dem Berliner Unterwelten e. V. und der Stiftung Berliner Mauer geplant, die vom 2. bis 6. Oktober 2024 eine Gedenkwoche in Berlin anlässlich des 60. Jahrestages der Enttarnung des Fluchttunnel 57 und des 60. Todestages von Egon Schultz veranstalten.