Beschreibung
Es ist der 25. Jahrgang von „Zeitgeschichte regional“, der jetzt auf dem Tisch liegt. Das bedeutet 25 Jahre ehrenamtliche Redaktionsarbeit mit zwei Sitzungen von zwölf ehrenamtlichen Redaktionsmitgliedern in jedem Jahr. Das bedeutet zahllose Telefonate und Mails der Geschichtswerkstatt. Das bedeutet ehrenamtliche redaktionelle Bearbeitung von Manuskripten, Fahnenkorrekturen und Bildauswahl. Und es bedeutet vor allem die ehrenamtliche Lieferung der Beiträge von weit über 100 Autorinnen und Autoren, die sich mit Themen der Zeitgeschichte in Mecklenburg-Vorpommern befassen. Ohne diese Beiträge könnten die oben genannten Aktivitäten nicht stattfinden, würden die fröhlich-kreativen Redaktionsrunden fehlen, wären die immer spannenden neuen Erkenntnisse nicht in unseren Heften präsent.
Beim Start in das Abenteuer „Zeitgeschichte regional“ war keinem der Beteiligten bewusst, wie lange die Herausgabe währen könnte. Es hat auch niemand damals darüber nachgedacht. Inzwischen gibt es so etwas wie Routine, aber auch immer wieder neue Überlegungen, Diskussionen und manchmal schwierige Wege zur Verbesserung der Hefte. Durchgängig erhalten hat sich der hohe Anspruch an die wissenschaftliche Qualität der Beiträge. Geschärft hat sich im Laufe der Jahre das Profil.
Zeitgeschichte hat einen schweren Spagat zu lösen – Dokumente liefern nur eine selektive und auch politisch gefärbte Sicht auf die Ereignisse. Sie müssen quellenkritisch bewertet werden. Zeitgeschichte heißt aber auch, dass es eine Erlebnisgeneration gibt, die die Beiträge an eigenen Erfahrungen messen kann. Doch auch diese Erfahrungen sind individuell geprägt und in der Erinnerung ebenfalls selektiv. Daraus eine objektive Betrachtung zu gewinnen ist der Spagat. Die gute Resonanz der Hefte in der Öffentlichkeit zeigt, dass das weitgehend gelingt.
Dafür ist an dieser Stelle einmal allen Beteiligten zu danken – besonders der Geschichtswerkstatt Rostock e.V. mit Angrit Lorenzen-Schmidt und ganz besonders den Autorinnen und Autoren.
Das Heft 1/21 bleibt der Linie der vergangenen 25 Jahre treu. Die Gliederung nach Aufsätzen, Dokumenten, Diskussionsbeiträgen, Archivmitteilungen, Zeitzeugeninterviews, Erinnerungsberichten, Informationen zur Zeitgeschichte aus anderen (Bundes-)Ländern, zur aktuellen Geschichtsarbeit und zum historischen Lernen haben sich bewährt. Große Aufmerksamkeit gilt den Rezensionen. Hier erfährt die Zeitschrift stets großes Lob wegen der kritischen Bewertung von Neuerscheinungen.
Dieses Heft startet mit einer überraschenden Geschichte zu Peenemünde. Cornelius Lehmann ist akribisch den Spuren eines Kleinunternehmers im Bereich der Käseherstellung in dem Ort der Raketenforschung nachgegangen.
Dass es in verschiedenen Museen des Landes Mecklenburg-Vorpommern in den Sammlungen ein koloniales Erbe gibt, ist nicht neu. In der DDR und auch noch lange danach wurden diese Sachzeugen aber meist nur als „Mitbringsel der Seeleute“ interpretiert. Erst langsam rückte die teilweise verklärte koloniale Überlieferung in der Öffentlichkeit ins kritische Blickfeld. Eckart Schörle liefert einen Überblick über den aktuellen Stand der Debatten, die noch nicht abgeschlossen sind.
Dass es zu Ernst Barlach und seinen Werken noch Neuigkeiten geben könnte, mag man nicht glauben, aber hin und wieder tauchen doch noch Informationen auf, die bisher nicht beachtet wurden, so zu verschwundenen Plastiken im Hamburger Funkhaus des NDR, denen sich Wolf Karge widmet.
Bernd Kasten beschäftigt sich (wieder einmal) mit den englischen und amerikanischen Bombenangriffen auf Ziele in Mecklenburg und Pommern. Er räumt mit zahlreichen Legenden auf, indem er die englischsprachigen Quellen in die Recherchen einbezieht. Damit kann er die Luftangriffe auf das tatsächliche Ereignis wie auch die eigentlichen Absichten reduzieren. Das macht die Sinnlosigkeit der Zerstörungen in vielen Fällen noch deutlicher. Die angehängte Chronologie aller Luftangriffe gibt erstmals einen genauen Überblick über die Ereignisse während des Zweiten Weltkrieges im Raum Mecklenburg-Vorpommern.
Einen interessanten Beitrag zum Umgang mit den ehemals pommerschen Gebieten im jungen Verwaltungskonstrukt Mecklenburg-Vorpommern nach dem Kriegsende 1945 liefert
in gewohnter Akribie Matthias Manke; sein Aufsatz ist mit reichhaltigem biographischen Material angereichert. Es gelingt ihm, das heute immer noch sensible Thema der politischen Wahrnehmung der Landesteile Mecklenburg und Vorpommern in dem Bindestrichland durch eine historische Facette zu bereichern, die Parallelen zur Gegenwart sichtbar macht.
Der ausgewiesene Schifffahrtshistoriker und frühere Direktor des Rostocker Schiffbau- und Schifffahrtsmuseums Peter Danker-Carstensen blättert in einem umfassenden Beitrag die ungewöhnliche Geschichte einer Organisation in der DDR auf, die es geschafft hat, irgendwie neben den staatlich verordneten Strukturen eine hochachtbare ehrenamtliche Arbeit zu leisten. Der „DDR-Arbeitskreis für Schiffahrts- und Marinegeschichte“ wird von ihm auch hinsichtlich der Beobachtung durch das MfS dargestellt. Schließlich wertet er eine seltene Form der Zusammenarbeit mit entsprechenden Initiativen in der Bundesrepublik Deutschland aus. Strukturen, Personen und auch der Übergang in das wiedervereinigte Deutschland spannen einen weiten Bogen.
Der Nachdruck von Beiträgen aus anderen Publikationen erfolgt in „Zeitgeschichte regional“ sehr selten. Der Beitrag von Olaf Strauß zum unverwirklichten Atomkraftwerk Neubrandenburg schien der Redaktion aber so essenziell, dass er Platz in diesem Heft fand.
Einen ungewöhnlichen Blick auf die Maul- und Klauenseuche 1982 mit einem Seitenblick auf Beschränkungen heute vermittelt Sebastian Eichler mit den Auswirkungen des damaligen „Lockdowns“ auf die kirchliche Arbeit und die Instrumentalisierung der Möglichkeiten gegen die Kirche durch die SED und die Staatsorgane der DDR.
Wieder weit über 100 Seiten umfasst das erste Heft des (Jubiläums-)Jahrgangs 2021, gut gefüllt mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen, Informationen und den gewohnten kritischen Rezensionen am Ende der Zeitschrift – ein würdiges Geschenk zum 25.
Ihre Redaktion