Zeitgeschichte regional | 24. Jg., 2020, Heft 1

8,00 

Beschreibung

Das vorliegende Heft von „Zeitgeschichte regional“ ist das erste mit neuem Layout. Die beiden wichtigsten Änderungen sind die Umstellung von Endnoten auf Fußnoten und die Anpassung an das öffentliche Erscheinungsbild der Geschichtswerkstatt Rostock e.V., die das Heft herausgibt. Dies bedeutete auch den Wechsel von der seit dem ersten Heft im Jahr 1997 verwendeten Farbe Grün zu dem jetzt von der Geschichtswerkstatt genutzten Blau.
Dieser Band enthält mit immerhin acht wissenschaftlichen Aufsätzen eine Fülle gewichtiger Beiträge zur neueren Geschichte Mecklenburgs und Vorpommerns.
Den Anfang macht Bernd Kasten mit einer Untersuchung zur Schweriner Volkshochschule, die wie die meisten dieser Einrichtungen in Deutschland im vergangenen Jahr an ihre Gründung vor 100 Jahren erinnerte. Die Volkshochschulen waren Geschöpfe der Weimarer Republik, eng mit dem linksliberalen und sozialdemokratischen Milieu verbunden, und sie gingen 1933 auch gemeinsam mit ihr unter. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg konnten sie neugegründet oder wiedereröffnet werden.
Den inhaltlichen Schwerpunkt dieses Heftes bilden das Kriegsende 1945 und die frühe Nachkriegszeit.
Sören Granzow und Rainer Szczesiak beschreiben den Abwurf einer fünf Tonnen schweren Bombe auf das ostmecklenburgische Dorf Genzkow am 16. April 1945. Der durch Flakfeuer beschädigte englische Lancaster-Bomber konnte nicht wie geplant an dem Angriff auf den in Swinemünde vor Anker liegenden schweren Kreuzer „Lützow“ teilnehmen und warf die Bombe daher über der nächstgelegenen Ansiedlung ab, was 32 Dorfbewohner das Leben kostete.
Franz Stepanek befasst sich mit der 1943 für Mitarbeiter der Arado-Flugzeugwerke errichteten Finnenhaussiedlung an der Grabower Straße in Rostock. Der Verfasser, der selbst in dieser Siedlung aufgewachsen ist, kombiniert hier in anschaulicher Weise eigene Erfahrungen mit Archivrecherchen und gibt ein lebendiges Bild davon, mit welchen Veränderungen und Herausforderungen die Siedlergemeinschaft in den Jahren zwischen 1943 und heute zurechtkommen musste.
Ulrich Peter setzt sich kritisch mit dem Bericht auseinander, den der Schweriner Pastor Theodor Rohrdantz im Mai 1945 über seinen Besuch im gerade von den Amerikanern befreiten KZ Wöbbelin an den Landesbischof Schultz sandte. Peters Ansicht nach zeichnet die Aussage von Rohrdantz, die evangelische Christenheit sei, was diese Verbrechen anging, völlig ahnungslos und unbeteiligt gewesen, ein arg beschönigendes Bild der Landeskirche und ihres Verhaltens zwischen 1930 und 1945.
Brit Bellmann schildert mit viel Einfühlungsvermögen die schwierige Lage von Flüchtlingskindern in Mecklenburg in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg. Viele von ihnen haben erst spät, in fortgeschrittenem Alter, ihre Erinnerungen aufgezeichnet. Die Verfasserin schlägt den Bogen zur Ankunft zahlreicher minderjähriger Flüchtlinge in Deutschland seit 2015 und verdeutlicht damit, dass das Thema nach wie vor weltweit von beklemmender Aktua-lität ist.
Die folgenden Aufsätze untersuchen verschiedene Aspekte der DDR-Geschichte.
Ernst-Heinrich Haerter zeigt, wie die SED zwischen 1945 und 1955 die bis dahin recht autonome Universität Greifswald durch eine Vielzahl von Eingriffen nach ihren Vorstellungen politisch formte und in die staatliche Planwirtschaft einfügte. Widerstand hiergegen gab es, bis auf den Protest der Medizinstudenten gegen eine Umwandlung der Fakultät in eine Ausbildungseinrichtung für Militärärzte im Jahr 1955, nur wenig.
In einem weiteren Beitrag schildert Konstanze Soch, mit welcher Härte das Ministerium für Staatssicherheit gegen die eher unfreiwillig ins Land gekommenen „Umsiedler“ vorging, die sich mit dem Verlust ihrer Heimat nicht abfinden konnten und insgeheim Kontakte zu westdeutschen Vertriebenenverbänden und Landsmannschaften unterhielten.
Zum Abschluss befasst sich Wolfgang Matthäus mit dem Institut für Meereskunde Warnemünde und den im Auftrag der Volksmarine durchgeführten militärozeanographischen Forschungen in der DDR, wobei er auch die agierenden Personen in den Blick nimmt.
Die Rubrik „Regionale Geschichtsarbeit“ beginnt mit einem Bericht von Eckart Schörle über eine im September 2019 in Neustadt in Holstein veranstaltete internationale Tagung zum Gedenken an die Cap-Arcona-Katastrophe, die zu dem Ergebnis kam, dass die tragischen Ereignisse in der Neustädter Bucht im Mai 1945 in der deutschen Erinnerungspraxis trotz ihrer Dimension leider eine eher untergeordnete Rolle spielen.
Uta Rüchel und Andreas Wagner berichten dann über eine im November 2019 in Schwerin organisierte Tagung zu Gedenkstättenlandschaften in Ost und West 30 Jahre nach der Grenzöffnung. Diese machte deutlich, wie verschieden die Entstehungsgeschichten der Gedenkstätten in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein sind, und illustrierte – angesichts der allen gemeinsamen aktuellen Herausforderungen – die Notwendigkeit weiterer Gespräche.
In der Rubrik „Archivmitteilungen“ schildert Sebastian Eichler die Erschließung des Bestandes „Generalakten des Konsistoriums der Pommerschen Evangelischen Kirche“, der für die vorpommersche Kirchengeschichte eine ganze Fülle neuer und wichtiger Quellen sowie neben hochpolitischen Beratungen offensichtlich auch mancherlei Kurioses (wie Eisbärentaufen oder Gottesdienstverbote zur Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche) enthält. Eichler erläutert die bisher anhand der neu verzeichneten Akten durchgeführten Forschungen und gibt Anregungen für die künftige Nutzung.
Den Schluss bilden wie immer die Rezensionen und Anzeigen von Neuerscheinungen zeitgeschichtlicher Veröffentlichungen aus der Region.

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