Zeitgeschichte regional | 18. Jg., 2014, Heft 1

8,00 

Beschreibung

Dass vor genau 100 Jahren am 1. August 1914 die „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ (George F. Kennan) ihren Anfang nahm und der Erste Weltkrieg begann, hat Wissenschaftler und Journalisten in diesem Jahr erkennbar in rege Tätigkeit versetzt. Niemand, der eine Buchhandlung betritt oder den Fernseher anschaltet, kann sich dem entziehen. Eine große Fülle neuer Bücher und Fernsehdokumentationen beschäftigen sich mit diesem Gegenstand. Auch das vorliegende Heft von „Zeitgeschichte regional“ befasst sich schwerpunktmäßig mit diesem Thema. Antje Strahl, eine ausgewiesene Kennerin der Zeit, schildert den Kriegsalltag in Rostock-Warnemünde. Obwohl der Bädertourismus anfänglich durch den Krieg existentiell bedroht schien und starke soziale Spannungen und Anfeindungen hervorrief, überwand Warnemünde im Hinblick auf den Gästebetrieb schon 1916 den durch den Kriegsbeginn entstandenen Einbruch, und es gelang erstaunlich gut an das Badeleben der Vorkriegszeit anzuschließen. Hermann Langer berichtet über die Geschichte der mecklenburgischen Jugendtruppen 1914-1918 und beleuchtet mit diesem recht düsteren Kapitel nicht nur die Ernteeinsätze und die vormilitärische Ausbildung der Jugendlichen, sondern auch ihre intensive politische Indoktrination. Die anderen beiden Beiträge zum Ersten Weltkrieg weisen dann noch deutlich über die Landesgrenzen hinaus. Wolf Karge schreibt über den in Russland lebenden Herzog Carl Michael zu Mecklenburg und seinen eventuellen Anspruch auf die Nachfolge des 1918 verstorbenen letzten Großherzogs von Mecklenburg-Strelitz. Auch das von Bernd Kasten vorgelegte Dokument, das von Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg 1915 präsentierte Kriegszielprogramm, zeigt einen mecklenburgischen Herzog, der durchaus auch in der deutschen und internationalen Politik eine (wenn auch eher unrühmliche) Rolle spielte.

Während es sich bei der Zeit von 1914 bis 1918 zugegebenermaßen schon um einen echten Grenzbereich der Zeitgeschichte handelt, befassen sich die weiteren Aufsätze in diesem Heft dann vor allem mit der Zeit des Nationalsozialismus und der DDR. Manfred Faust schreibt über die wechselvolle Geschichte des „arisierten“ Sethe-Hofes und seiner verschiedenen Besitzer auf der Insel Hiddensee. Die Anwesenheit zahlreicher Soldaten der Roten Armee bestimmte nach 1945 das Leben in Mecklenburg. Rainer Neumann beschreibt mit Hilfe von zahlreichen Erinnerungsberichten die Verhältnisse im sowjetischen Quartier in Greifswald zwischen 1945 und 1956. Christian Halbrock untersucht an Hand der Akten der Staatssicherheit das politisch abweichende Verhalten an der Universität Rostock zwischen 1949 und 1961. Er kommt zu dem Schluss, dass es zwar eine recht große Anzahl von kleineren Akten widerständigen Verhaltens an der Universität gab, SED, Universitätsverwaltung und Ministerium für Staatssicherheit aber durch gemeinsame Anstrengungen insgesamt für ein recht konformes Erscheinungsbild sorgen konnten.

Unter der Rubrik „Diskussion“ antworten Thomas Balzer und Olaf Jacobs auf den Beitrag von Martin Buchsteiner und Martin Nitsche im Heft 1/2013 zum NDR-Zeitgeschichtsformat „Zeitreisen“. Die Redaktion begrüßt es ausdrücklich, dass die Fernsehmacher hiermit die Chance wahrnehmen, auf die Kritik mit ihren konzeptionellen Erwägungen zu antworten. Im Interview gibt dann der neue Lehrstuhlinhaber für Zeitgeschichte an der Rostocker Universität Stefan Creuzberger Auskunft über seinen Werdegang und seine künftigen Forschungsschwerpunkte. Der Bereich „Regionale Geschichtsarbeit“ ist mit einem Bericht über ein Seminar zum Ersten Weltkrieg im Dezember 2013 in Waren (Müritz) und mit einer Darstellung der konzeptionellen Überlegungen zur Abteilung „Pommern im 20. Jahrhundert“ der landesgeschichtlichen Dauerausstellung im Pommerschen Landesmuseum in Greifswald vertreten. Hierbei erwies sich vor allem die Frage, wann eine solche Ausstellung enden und in welcher Form die Region Stettin und Hinterpommern in der Zeit nach 1945 behandelt werden sollte, als große Herausforderung. Marco Pahl beschreibt die neue Dauerausstellung im Grenzturm in Kühlungsborn. Außerdem präsentiert Helmut Schnatz eine neue Quelle zur Opferzahl des Luftangriffs auf Swinemünde vom 12. März 1945, und Eckart Schörle von der Landeszentrale für politische Bildung untersucht das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus zum 27. Januar in Mecklenburg-Vorpommern.

Unter der Rubrik „Historisches Lernen“ bringen wir einen Bericht von Lutz Müller zu einem Projekt an der Nordlicht-Schule Rostock-Lichtenhagen über das Schicksal der Besatzungen amerikanischer Bomber im Raum Rostock. Die „Archivmitteilunqen“ enthalten eine Beschreibung der Archive der katholischen Kirche in Schwerin durch Barbara Müller und einen Tagungsbericht zum ersten „Tag der Bestandserhaltung“ am 2. September 2013 in Stralsund durch Sonja Annette Lehmann. Ein interessantes und auch zum Thema des Heftes gut passendes Projekt aus einem anderen Bundesland ist die für eine sachliche Online-Suche aufbereitete Sondersammlung „Krieg 1914“ der Staatsbibliothek zu BerIin. Zum Abschluss schildert Simone Labs, ebenfalls in der Rubrik „Aus anderen Ländern“, eine Reise zu den Erinnerungsorten des Kalten Krieges in Norwegen.

An dieser Stelle möchten wir den Autoren unserer Zeitschrift danken, für deren namentliche Würdigung der Platz dieser Einführung regelmäßig nicht ausreicht: den Verfassern der Rezensionen und Annotationen. Wir hoffen auf Ihre weitere Mitwirkung.

Ihre Redaktion