Beschreibung
Zunächst möchten wir Sie mit einigen Informationen aus der Redaktion verstehen: Wir freuen uns, dass wir Martin Buchsteiner als neues Mitglied in unseren Reihen begrüßen können, der in diesem Heft auch gleich eine – aus unserer Sicht wichtige – Diskussion anzustoßen versucht. Gemeinsam mit Martin Nitsche setzt er sich mit dem Wert der „Zeitreisen“ des NDR für die Förderung eines reflektierten Geschichtsbewusstseins auseinander, wobei es zu einer zwiespältigen Einschätzung kommt. Andreas Wagner, der eine neue berufliche Aufgabe übernommen hat, wird zwischenzeitlich pausieren, auch wenn dieses Heft einen anderen Eindruck vermittelt: Produktiv und präsent wie immer berichtet er vom mittlerweile 10. Bützower Häftlingstreffen, das wesentlich mit seiner Person verbunden ist. Daneben war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Landesfachstelle für Gedenkstättenarbeit bei Politische Memoriale e.V. in Schwerin gemeinsam mit Vertretern der Universität Rostock sowie den Mahn- und Gedenkstätten Wöbbelin an dem EU-Regioprojekt „Bildung und Erziehung nach dem Holocaust – Erinnern und Gedenken“ im Rahmen des Comenius-Programms für lebenslanges Lernen beteiligt. Er berichtet über die Zusammenarbeit von Schulen aus Wien und Mecklenburg-Vorpommern. À propos EU-Projekt: Simone Labs liefert einen ersten Bericht über ein Projekt, das sie auf deutscher Seite gemeinsam mit Andreas Wagner verantwortet. Im Rahmen einer GRUNDTVIG-Lernpartnerschaft zur Geschichte des Kalten Krieges in Europa beschreibt sie unter dem Titel „Kalter Krieg im Baltikum – Von Waldbrüdern und Besatzern“ ein erstes Treffen der Projektpartner im Okkupationsmuseum in Tallinn. In den kommenden Ausgaben von „Zeitgeschichte regional“ wird über weitere Ergebnisse dieser Zusammenarbeit zu lesen sein.
Nach längerer Diskussion in der Redaktion haben wir uns entschieden, bis auf weiteres auf die Planung von Schwerpunkt-Themen für die einzelnen Ausgaben von „Zeitgeschichte regional“ zu verzichten. Die Realitäten haben unsere Planungen zu oft eingeholt. Außerdem haben wir von unseren Lesern häufig Rückmeldungen bekommen, dass gerade die thematisch „bunten“ Hefte gut angekommen sind. Vor diesem Hintergrund lautet das Thema dieses und der folgenden Hefte Aktuelles aus zeitgeschichtlicher Forschungs- und Vermittlungsarbeit über Mecklenburg-Vorpommern.
Wolf Karge ist bei seiner Publikationsarbeit zu Gutsanlagen in Mecklenburg-Vorpommern auf die Geschichte der Aufsiedlung der insolventen Gutswirtschaft Matgendorf mit katholischen Bauern in den 1920er Jahren gestoßen. Eine Siedlerschule im dortigen Herrenhaus sollte die potentiellen Neusiedler aus dem Rheinland auf ihr neues Leben vorbereiten. – Kalauer wie „Keiner soll hungern, ohne zu frieren!“ sind sicher vielen geläufig. Dass sich dahinter jedoch ein eher sarkastischer Bezug zur Geschichte des NS-Winterhilfswerkes verbirgt, verdeutlicht Hermann Langer mit seinem Aufsatz. Ein wesentlicher Teil jener Institution war Propaganda, die jedoch durch ihre mobilisierende Kraft auch praktische Wirkung entfaltete. Auf vielen Gebieten wurde damals der Ressourcenknappheit mit Propaganda begegnet, und es wurden damit viele Menschen erreicht. Ein während des Krieges entstandener Schüleraufsatz zur „KohIenklau“-Propagandaaktion 1942/43 wird ebenfalls von Hermann Langer vor diesen Hintergründen beleuchtet. – Bernd Kasten referiert über einen Vorfall, der pars pro toto in vieler Hinsicht Sinnbild für den Krieg sein kann: der amerikanische Tieffliegerangriff am 21. Mai 1944 auf Ziele in Mecklenburg und Vorpommern.
Die DDR-Zeit nimmt in dieser Ausgabe wieder breiten Raum ein und wird in verschiedenen Facetten gezeigt. Ralph Kaschka berichtet über ein Thema, dass uns (in anderer Form) auch heute wieder berührt: der Jahre währende Bau an der Eisenbahnstrecke Rostock-Neustrelitz-Berlin, hier in den 1950er/1960er Jahren. – Dass Erziehungsberatung in der „Erziehungsdiktatur“ wie vieles andere eher Mangelware war, verwundert denn doch. An der Universität Greifswald versuchten engagierte Wissenschaftler diesem Mangel seit den 1960er Jahren zu begegnen. Gabriele Förster stellt die Arbeit der Greifswalder Erziehungsberatungsstelle vor. Der DDR-Militärstandort Prora hat in „Zeitgeschichte regional“ (bisher mit Blick auf die sogenannten Bausoldaten) schon mehrfach seinen Platz gehabt. Klaus Storkmann zeigt uns einen Aspekt von DDR-Militärgeschichte, über den es außerhalb eingeweihter Kreise eher Spekulationen als Wissen gab: die militärische Ausbildung von Ausländern an den NVA-Offizierhochschulen. Die Standorte Prora und Stralsund haben dabei offenbar eine besondere Rolle gespielt. – Ahnung bzw. Ahnungslosigkeit ist der zentrale Topos der Untersuchungen von Melanie List. Sie versucht zu ergründen, ob der mangelnde Zugang zum Westfernsehen ein Einflussfaktor für Ausreiseantragsteller war. – Ein besonderes Zeitzeugnis stellen aus unserer Sicht die Erinnerungen Ursula von Appens über ihre Zeit als Lehrerin an der Goethe-Oberschule 11 im Schwerin der 1950er Jahre dar, die mehr sind als nur ein Bericht über diese Schule. Sie nehmen auch einen großen Teil ihres Lebens (in vorbildlicher Weise reflektiert) in den Blick.
Aus der regionalen Geschichtsarbeit wird über das bereits Genannte hinaus durch Christine Kindt berichtet, die ihre Schüler des Gymnasium Fridericianum Schwerin bei dem internationalen Schultheaterprojekt „Esther leben“ im Rahmen des Projektes „ESTHER – Europäische Strategien zur Holocausterinnerung“ begleitete. Außerdem wird die Laudatio von Irmela von der Lühe für Constanze Jaiser und Jacob David Pampuch zur Verleihung des Annalise-Wagner-Preises 2012, den die beiden für ihre Arbeit „Ein Schmuggelfund aus dem KZ“ erhalten haben, abgedruckt. Unter der Rubrik Archivmitteilungen lässt Eleonore Wolf Neubrandenburger Archivgeschichte Revue passieren und überrascht damit, dass die Institution, der sie vorsteht, erst 30 Jahre alt ist. Eine doppelt so lange, mit dem Leben zahlreicher gebürtiger Mecklenburger und Pommern verbundene Geschichte, die Gründung des Notaufnahmelagers Marienfelde in Berlin vor 60 Jahren, war Anlass zu einem umfangreichen Veranstaltungsprogramm, von dem Henrik Bispinck als Mitwirkender berichtet.
An dieser Stelle möchten wir den Autoren unserer Zeitschrift danken, für deren namentliche Würdigung der Platz dieser Einführung regelmäßig nicht ausreicht: den Verfassern der Rezensionen und Annotationen. Wir hoffen auf Ihre weitere Mitwirkung.
Ihre Redaktion