Beschreibung
Unser aktuelles Heft nimmt auf eine Reihe von Anlässen Bezug, die in den letzten Monaten historiografische
Bedeutung hatten. Der 21. Landesarchivtag in Neubrandenburg am 21./22. Juni 2011 war explizit den
Implikationen und Auswirkun gen der Geschichte des vergangenen Jahrhunderts gewidmet. So beginnen wir die
Rubrik „Aufsätze“ mit dem Vortrag über das Geheime und Hauptarchiv Schwerin zwischen 1933 und 1945 des
Schweriner Archivars Matthias Manke. Einen Überblick über den Ablauf dieser Tagung bietet die diesjährige
Gastgeberin, die Neubrandenburger Archivarin Eleonore Wolf, unter „Archivmitteilungen“.
Erinnerungspolitisch stand das Jahr 2011 im Zeichen des Mauerbaus in Berlin und der weiteren Befestigung
der deutsch-deutschen Grenze vor 50 Jahren. Kay Kufeke hatte vor einigen Jahren im Auftrag der
Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern ein Gutachten über Entwicklungsmöglichkeiten
der Gedenkstätten, die in Mecklenburg-Vorpommern an die Grenze und ihre Opfer erinnern, verfasst. In diesem
Heft skizziert er nun mit seinem Beitrag über die Durchlässigkeit der innerdeutschen Grenze in Mecklenburg
vor 1952 die Anfänge des Aufbaus eines Grenzregimes. Michael Heinz von der Rostocker Außenstelle des
Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU) und Anita
Krätzner von der Universität Rostock nehmen die zeitgenössischen Reaktionen auf den Mauerbau im damaligen
Ostseebezirk Rostock im Sommer und Herbst 1961 in den Blick. Ablehnende Äußerungen bei den Bürgern waren
keine Seltenheit. Diese wurden als „staatsgefährdende Hetze“ massiv verfolgt und propagandistisch
instrumentalisiert.
Ein weiterer Schwerpunkt des Heftes liegt auf der Geschichte von Jugend und Jugendpolitik in den 1980er
Jahren in unserer Region. Mit Christoph Wunnickes Aufsatz über die Offene evangelische Jugendarbeit in der
Mecklenburgischen Landeskirche wird eine Seite nichtstaatlicher Jugendarbeit untersucht. Die Darstellung
wird durch ein Interview ergänzt, dass der Autor mit Bernd Schröder, in den 1980er Jahren als Jugendwart
für die Offene Jugendarbeit bei der Pommerschen Evangelischen Kirche verantwortlich, für „Zeitgeschichte
regional“ führte. Caroline Fricke hingegen untersucht in ihrem Aufsatz Selbstbild und Realität der von SED
und FDJ geführten Jugendpolitik, wie sie sich zu dieser Zeit im Bezirk Schwerin darstellten. Sie zeigt,
dass Bemühungen, Jugendliche mit abweichend wahrgenommenem Verhalten zu integrieren, an der eigenen
holzschnittartigen Ideologie, mehr jedoch an den Schwächen, die letztlich auch zum Untergang des Staates
führten, scheitern mussten.
Im September dieses Jahres jährte sich der 65. Todestag des evangelischen Theologen und
Universitätsprofessors D. Dr. Ernst Lohmeyer. Aus diesem Anlass haben zwei Autoren, die sich über viele
Jahre mit dieser Persönlichkeit und ihrem Schicksal beschäftigten, der Redaktion einen Beitrag angeboten.
Sie ergänzen sich auch da, wo sie anscheinend denselben Gegenstand referieren. Beide Autoren gehen auf eine
Quelle besonders ein: eine 1946 bei der Landesleitung der SED entstandene Akte, die – wie beide Autoren
übereinstimmend feststellten – aktuell in den beiden Landesarchiven nicht auffindbar ist. Wolfgang
Wilhelmus legt hier das Skript einer Rede vor, die er im September 1990 anlässlich der Feier des 100.
Geburtstages Ernst Lohmeyers hatte halten wollen, ergänzt um einen Bericht aus der Perspektive des bis 1990
als Professor an der Sektion Geschichte der Universität Greifswald und als Leiter der Forschungsgruppe
Universitätsgeschichte tätig gewesenen Wissenschaftlers. Mathias Rautenberg hingegen analysiert die
Auseinandersetzung mit dem Schicksal Lohmeyers von 1946 bis in die Gegenwart aufgrund der Fülle bis heute
zugänglich gewordener Literatur und Archivalien und zeichnet dabei ein differenziertes Bild vom Wirken der
involvierten SED-Funktionäre. Ernst Lohmeyer spielte auch bei der Gedenktafelenthüllung 2011 für die Retter
Greifswalds eine Rolle. Interessierte sollten also auch den Beitrag des Greifswalder Stadtarchivars Uwe
Kiel zur Rezeptionsgeschichte der kampflosen Übergabe der Stadt an die Rote Armee 1945 lesen.
Zwei Autorinnen verdanken wir die Möglichkeit, die folgend angezeigten Dokumente veröffentlichen zu können:
Elke Scherstjanoi fand – bisher einmalig – in russischen Archiven ein russisches Protokoll zur ersten
Besprechung des Chefs der Sowjetischen Militäradministration für Mecklenburg (-Vorpommern) mit den
Mitgliedern des Präsidiums und den Ministerialdirektoren der deutschen Landesverwaltung am 12. Juli 1945 in
Schwerin, die als offizieller Auftakt der sowjetischen Besatzungsherrschaft in Mecklenburg-Vorpommern
anzusehen ist. Hieran ist besonders der Vergleich des nun übersetzten russischen Dokuments mit der damals
aufgesetzten deutschen, deutlich kürzeren Niederschrift aufschlussreich. Demgegenüber bietet die Schweriner
Kulturwissenschaftlerin Sabine Steffens einen eher amüsanten Extrakt aus ihrer Arbeit an der Ausstellung
zur Geschichte des Instituts für Tierseuchenforschung auf der Insel Riems: den Werdegang des Begründers des
Riemser Instituts, Prof. Dr. Friedrich Loeffler, in lustigen Versen und Bildern zu seinem 60. Geburtstag
aus der Feder seiner Mitarbeiter.
Ein letzter Schwerpunkt ist die Musik. Der Leiter des Anklamer Knabenchores Mike Hartmann lässt 40 Jahre
Geschichte dieses Klangkörpers aus der Perspektive dreier Sängergenerationen Revue passieren. Während
dieser Beitrag für Kontinuitäten steht, zeigt der vom Leiter des Schweriner Konservatoriums Volker Ahmels
vorgelegte Bericht über die zwischen 1996 und 2011 durchgeführten Projekte zum Thema „Verfemte Musik“ den
Zugewinn an Möglichkeiten seit 1990. Dem ist auch das Entstehen der Annalise-Wagner-Stiftung in
Neubrandenburg zuzurechnen. Gudrun Mohr verdeutlicht mit ihren Erinnerungen an Annalise Wagner deren
Bedeutung für die Regionalforschung.
Wie immer, wenn der Platz für das Editorial fast verbraucht ist, ist die Reihe der hervorhebenswerten
Beiträge noch lange nicht erschöpft. Die quellenkritischen Anmerkungen Volker Jankes zum Umgang mit Fotos
von Karl Eschenburg verdiente eine ebenso ausführliche Einführung wie der diese Zeitschrift insbesondere
betreffende Text von Julia Rinser über eine Tagung zu regional- und landesgeschichtlichen Zeitschriften im
19. und 20. Jahr hundert. Die von der Redaktion dankbar publizierten Berichte von Mirko Wetzel über das
Portal www.stolpersteine-mv.de und von Helge Heidemeyer zu Kinderführungen in der Erinnerungsstätte
Notaufnahmelager Marienfelde seien hier wenigstens noch erwähnt. Die erfreulich zahlreichen Rezensionen und
Anzeigen bitten wir Sie sich selbst zu erschließen.
Ihre Redaktion