Beschreibung
Die Gründung der DDR 1949 und ihr Zusammenbruch 1989 stellten und stellen für diesen Landstrich und seine Bewohner wichtige Zäsuren dar. So stehen Aspekte der DDR-Geschichte Mecklenburg-Vorpommerns in dieser ersten Ausgabe von „Zeitgeschichte regional“ im Jahr der „Jahrestage“ nicht zufällig im Vordergrund. Die Entwicklung zur Gründung der DDR 1949 ist ohne die Zäsur von 1945 undenkbar. Die DDR war nicht nur Ergebnis eines verlorenen, vor 70 Jahren endgültig entfesselten Eroberungskrieges und nachfolgender militärischer Besetzung. Die Hypotheken dieses Krieges und seiner Folgen lasteten schwer auf diesem Staatsversuch. Aus diesem Blickwinkel untersucht der Schweriner Archivar Matthias Manke die Versuche der SED, die Rückführung von deutschen Kriegsgefangenen aus dem alliierten Gewahrsam, insbesondere aus sowjetischen Gefangenenlagern, und ihre Integration in die Nachkriegsgesellschaft der SBZ der Jahre 1948/49 zu politischer Starthilfe für ihre Ziele zu nutzen. Dabei arbeitet er einen wesentlichen Grundzug für das langfristige Scheitern heraus: Aus Realitäten, Interessen und Bedürfnissen entstandene Fragen verlangen praktische, nicht propagandistische Antworten. Die Ressourcen, um auf Interessen und Bedürfnisse anders zu reagieren, waren in jener SBZ-Gesellschaft indes sehr beschränkt, sodass – auch ohne den Charakter eines Faustpfandes für die Sowjetunion an der Demarkationslinie des Kalten Krieges – die Wahrscheinlichkeit des Ergreifens administrativer Maßnahmen mit Hilfe von „Sicherheitsorganen“ bei der Wahl der Mittel zum Umgang mit Problemen groß war. Henrik Bispinck beschreibt dies – Bezug nehmend auf seine vor einiger Zeit vorgelegte Dissertation – am Beispiel der „Bearbeitung“ der Schweriner Goethe-Oberschule durch die Apparate von SED und Staatssicherheit in den frühen 1950er Jahren. Das Ergebnis waren neue Wunden, zusätzliche Hypotheken für die Zukunft der DDR. In der Zusammenschau der Texte in diesem Heft fällt auf, dass einige der auf die DDR-Geschichte bezogenen Beiträge auch als Fortsetzung des Themenheftes zur Militärgeschichte gelesen werden können. Dies ist kein Zufall, war die DDR doch bis zu ihrer Aufgabe nicht zuletzt Hinterland einer militärisch ausgebauten Demarkationslinie in Erwartung einer globalen, zuerst auf deutschem Boden ausgetragenen Auseinandersetzung, zusätzlich moralisch desavouiert durch enttäuschte Hoffnungen und Ideale. Die vor diesem Hintergrund vollzogene Militarisierung – allein eine weitere Hypothek für die Entwicklungsfähigkeit der DDR – führte zu neuen Konflikten, für deren Bearbeitung wiederum hauptsächlich der Propaganda- und der Sicherheitsapparat eingesetzt wurden. Falk Bersch und Marcus Herrberger zeigen dies am Beispiel des Umgangs mit den jungen Männern aus den Nordbezirken der DDR, die sich der Vereinnahmung durch den Militärapparat zu entziehen suchten. Wehrdienstverweigerung wurde in der DDR wie im Vorläuferstaat – von dem sie doch alles unterscheiden sollte – als staatsgefährdendes Delikt behandelt und mit Strafen belegt, die den Systemvergleich einmal mehr vorentschieden. Die vermeintliche Alternative – militärischer Arbeitsdienst als „Bausoldat“, eine Besonderheit im Rahmen des Warschauer Vertrages – war ein weiterer Pyrrhussieg der Diktatoren im Namen des Proletariats. Von den Folgen berichtet Stefan Wolter mit seinen Erinnerungen an Block V, die Bausoldatenkaserne in Prora. Die Darstellungsweise Wolters, mit der er sich für eine Erinnerungsstätte in Prora engagiert, war in der Redaktion umstritten. Deshalb wurde der Text mit einer Vorbemerkung ausdrücklich zur Diskussion gestellt, zu der Sie als Leser hiermit eingeladen sind. Das Prora-Zentrum e.V. hat mit einem kurzen Referat über die historisch-politische Bildungsarbeit des Vereins den Anfang dazu gemacht. Den umfangreichsten Beitrag dieses Heftes verdanken wir Christian Schwießelmann, der mit seinem Blick hinter die Kulissen der Blockpartei CDU in den Nordbezirken der DDR seit der Länderauflösung 1952 an seine Dissertation über die Geschichte des CDU-Landesverbandes Mecklenburg bis 1952 anknüpft. Er beleuchtet dabei, wie sich CDU-Mitglieder und -Funktionäre im Norden der DDR zu der ihnen im Rahmen der Blockpolitik der SED zugedachten Transmissionsfunktion verhielten. In der Rubrik „Aufsätze“ äußern sich einige der dieser Zeitschrift seit Längerem verbundenen Autoren. Aus berufener Feder erfahren wir, dass der aktuell zu beobachtende, durch den so genannten Gesundheitsfonds forcierte Konzentrationsprozess unter den Krankenkassen historische Vorläufer hat. Horst Sieber skizziert die Fusionsgeschichte der mecklenburgischen Ortskrankenkassen von ihrer Entstehung bis in die 1930er Jahre. Annegret Dirksen und Falk Bersch sind auf die Geschichte einer Gruppe Jugendlicher, die während des Zweiten Weltkrieges in Wismar als „Ringbande“ durch unangepasstes Verhalten – ähnlich dem der „Edelweißpiraten“ – auffiel, gestoßen. Mit einer biografischen Skizze über den Lagerältesten des Stalag Luft I in Barth Colonel Hubert Zemke erhellt Martin Albrecht nicht nur eine weitere Facette der Geschichte des nationalsozialistischen Lagerstandortes Barth. Eine biografische Miniatur von Andreas Röpcke illustriert die Laufbahn von Herzog Adolf Friedrich zu Mecklenburg als Sportler und Sportfunktionär in Kaiserreich, Weimarer Republik, nationalsozialistischem Deutschen Reich und Bundesrepublik Deutschland. Durch Andreas Voss zum „Grenzhus“ in Schlagsdorf sowie Gerd Giese gemeinsam mit Falk Bersch über „Stolpersteine“ in Wismar werden zwei Beispiele regionaler Geschichtsarbeit aus unserem Bundesland vorgestellt. Auf instruktive und kritische Weise gibt Martin Buchsteiner in Auswertung von Ergebnissen einer Studie der Hamburger Forschungs- und Arbeitsstelle „Erziehung nach Auschwitz“ über den Einsatz von Medien zum Thema Nationalsozialismus im Geschichtsunterricht in Mecklenburg-Vorpommern Anregungen zum historischen Lernen. Als Symbol und als praktischer Ausdruck des Lernens entstand vor 40 Jahren aus der evangelischen Kirche heraus die „Aktion Sühnezeichen Friedensdienste“. Christian Staffa aus Berlin zeichnet ihren Weg nach. Zum Abschluss weist noch einmal Matthias Manke auf eine interessante, mit dem Wortungetüm „Personenstandsrechtsreformgesetz“ verbundene Entwicklung hin: Bislang ausschließlich standesamtlich genutzte Personenstandsbücher werden Archivgut! Rezensionen und Anzeigen neuer Literatur mit Bezug zur jüngeren Geschichte Mecklenburg-Vorpommerns ergänzen wie immer die Beiträge der anderen Rubriken.
Ihre Redaktion