Zeitgeschichte regional | 08. Jg., 2004, Heft 2

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Beschreibung

Zum ersten Mal seit langem erscheint diese Ausgabe von Zeitgeschichte regional wieder ohne ein besonderes zeithistorisches Schwerpunktthema. Zu dem ursprünglich geplanten Thema „Migration“ ging allein der Beitrag von Matthias Manke zur Ausweisung der Gutsbesitzer in Mecklenburg-Vorpommern nach der Bodenreform im Herbst 1945 ein. Erstmals wird hier die Vertreibung dieser die Landesgeschichte über Jahrhunderte prägenden Personengruppe im Detail untersucht. Die anderen Aufsätze decken wie immer ein weites Themenfeld ab. Falk Bersch berichtet über die eindrucksvolle Widerstandsaktion der Zeugen Jehovas, die sich am 7. Oktober 1934 auch in Mecklenburg in vielen Städten versammelten und mit Briefen an die Reichsregierung gegen die Verfolgung ihrer Religionsgemeinschaft protestierten. Mehr als 70 Beteiligte wurden verhaftet. Da die Zeugen Jehovas dem staatlichen Machtanspruch trotzdem hartnäckig widerstanden, gingen Gestapo und Gerichte schließlich mit immer größerer Härte gegen sie vor. Beatrice Vierneisel schildert an Hand der Auseinandersetzungen zwischen dem Stralsunder Maler Manfred Kastner und dem Bezirksverband Bildender Künstler Rostock in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts den Umgang von Staat und Verbandsfunktionären mit schwierigen, künstlerisch und politisch eher unbequemen Künstlern. Auch bei Michael Heinz stehen die 1970er Jahre im Mittelpunkt seiner Darstellung. Er beleuchtet die ambitionierten Bemühungen zur Industrialisierung der Landwirtschaft am Beispiel des Kreises Bad Doberan. Obwohl dieser Prozess unter den Bedingungen der Planwirtschaft mit erheblichen Problemen behaftet war, die der Autor kenntnisreich und detailliert schildert, waren die entstehenden Großbetriebe doch der artig zukunftsfähig, daß sie auch heute noch die Landwirtschaft Mecklenburg-Vorpommerns dominieren.
Das Dokument führt dann wieder zurück in die Zeit des Nationalsozialismus. Bernd Kasten kommentiert einen anonymen Brief an den mecklenburgischen Gauleiter Hildebrandt als authentische Reaktion aus der Bevölkerung auf das Novemberpogrom 1938. Die biographische Skizze führt aus dem Bereich der Zeitgeschichte hinaus in das 19. Jahrhundert, beschreibt aber mit dem Lebenslauf von Helene von Bülow, der Gründerin des „Stiftes Bethlehem“ in Ludwigslust, zugleich auch die Traditionen des heute noch bestehenden Krankenhauses und die Anfänge der Diakonie-Bewegung in Mecklenburg. In der Rubrik „Lebenserinnerungen“ schildert Wilfried Seiring seine Flucht von Greifswald nach Westberlin, nachdem er wegen seiner Unterstützung der ungarischen Reformer 1957 von der Universität Greifswald relegiert worden war. Die fünfziger Jahre standen auch im Rahmen der regionalen Geschichtsarbeit im Mittelpunkt eines Schülerprojektes zu den staatlichen Unterdrückungsmaßnahmen an der Schweriner Goetheschule, das mit einer preisgekrönten Ausstellung abgeschlossen wurde. Andere Projekte der regionalen Geschichtsarbeit befaßten sich mit dem zweiten Häftlingstreffen in Bützow, der Nachweisbeschaffung für ehemalige NS-Zwangsarbeiter durch die Archive des Landes und der Wanderausstellung zu „Zwangsarbeit im Ostseeraum 1939-1945“. Vorbildlich und beispielgebend ist in diesem Zusammenhang auch die Ausstellung der nordelbischen evangelischen Kirche zu „Luthertum, Antisemitismus und Nationalsozialismus“ zu nennen. Für Mecklenburg und Vorpommern wäre ein ähnliches Projekt über die Kirche im Dritten Reich sehr wünschenswert. Wie gewohnt schließt ein umfangreicher Informationsteil das Heft ab.
Wir haben uns entschlossen, unserer Leserschaft bereits längerfristig die Schwerpunktthemen der nächsten Hefte anzukündigen, um potentielle Autoren zu ermuntern, ihre Beiträge an die Redaktion zu senden. Zeitgeschichte regional lebt von der Mitarbeit der Leserschaft! Die nächsten Schwerpunktthemen lauten:

Heft 1/ 2005: Das Kriegsende 1945
Heft 2/ 2005: Essen, Trinken, Kleidung – Zur Geschichte des Alltags.

Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre des thematisch sehr breit angelegten Heftes und würden uns über Kritiken, Hinweise und natürlich zahlreiche Leserinnen und Leser sehr freuen.

Ihre Redaktion