Editorial
Einleitung
Schon Jahre vor dem großen Jubiläum der Stadt Rostock sind viele städtische Einrichtungen, Vereine, Gesellschaften, Unternehmen, aber auch Bürgerinnen und Bürger aktiv geworden. Frühzeitig begannen sie mit der Vorbereitung von Veranstaltungen, Jubiläumsschriften usw. Auch die Geschichtswerkstatt Rostock e.V. will sich an diesem Großereignis beteiligen, das das gesamte Jahr 2018 hindurch mit vielen großen und kleinen Highlights aufwarten wird. [...]
Bereits 2016 begannen die ersten „Brainstormings“ und Überlegungen zu einer musealen Ausstellung unter dem allgemeinen Thema „Rostock“. Zwei Gedanken spielten dabei eine grundlegende Rolle: Die Ausstellung sollte nicht durch Fachleute entworfen werden und einen alltagsgeschichtlichen, individuellen Blick auf die Geschichte der Stadt werfen. Ziel war es, die Rostockerinnen und Rostocker aktiv in die Vorbereitungen mit einzubeziehen. [...]
Seit 2016 rief die Geschichtswerkstatt über Zeitungsartikel, eine Internetseite, vor allem aber über Mund-zu-Mund-Propaganda ihrer Mitstreiter, Mitarbeiter, Ehrenamtler und Freunde, alte und junge Rostockerinnen und Rostocker auf, sich zu Hause nach kleinen oder großen Objekten umzuschauen. Einzige Voraussetzung für die Einreichung war: Das Exponat und dessen Geschichte sollte einen engen persönlichen Bezug zur Stadt haben.
Die Idee der Sammlung und Ausstellung von privaten Gegenständen ist es, ein Potpourri aus Geschichten und Anekdoten zusammenzustellen. Nicht historische Ereignisse, dargestellt und visualisiert durch „offizielle“ Museumsexponate, machen die Ausstellung der Geschichtswerkstatt aus, sondern vor allem viele vermeintlich kleine und unbedeutende Alltagsgegenstände. Denn diese bieten einen sehr intimen Einblick in das Familien-, Arbeits- oder Freizeitleben der Rostockerinnen und Rostocker. Nicht „weltbewegende“ Ereignisse, die Politik, Wirtschaft oder andere wichtige Sektoren der Stadt beeinflussten, sondern ganz private, persönliche Augenblicke und Erinnerungen Einzelner kommen darin zum Ausdruck.
Das Sammeln dieser Exponate war indessen nicht immer einfach. Die Vorstellung, durch alltagsgeschichtliche Gegenstände die 800-jährige Geschichte Rostocks darzustellen, musste rasch verworfen bzw. in andere Bahnen gelenkt werden. Denn in welcher Familie existieren jahrhundertealte Gegenstände, die mit der Warnowstadt oder mit der eigenen Familie zu tun haben? Vielmehr zeigte sich, dass zunächst hauptsächlich Material aus der DDR-Zeit – vielfach in Form von Dokumenten – den Weg in die Geschichtswerkstatt fand. Je länger wir aber sammelten, in Zeitungsartikeln zum Mitmachen aufriefen und bereits eingereichte Objekte sowie deren Geschichten veröffentlichten, desto kreativer und gesprächiger wurden unsere Leihgeber. Gegenstände ganz unterschiedlicher Art und Größe, teilweise auch aus dem 19. Jahrhundert und noch älter, erreichten uns. Nicht selten kam es vor, dass wir überaus interessante Objekte erhielten, zu denen es scheinbar keine Geschichten gab. Im Gespräch stellte sich dann aber sehr schnell heraus, dass es sehr wohl viel zu erzählen gab und die Gegenstände voller interessanter Geschichten waren. Diese reichten vom Frauentagsgeschenk des ehemaligen Chefs über das kleine Täschchen beim ersten Besuch des Volkstheaters bis hin zu einem Taufkleidchen, das über 30 Jahre in einer Familie genutzt wurde. Es finden sich lange und kurze, große und kleine Erinnerungen, die alle vom Leben in Rostock zeugen. In vielen Erzählungen tauchen Geschäftsnamen auf, die man lange nicht mehr gehört hat, weil der Laden oder das Unternehmen vor Jahrzehnten bereits aus dem „Geschäftsverzeichnis“ der Stadt verschwand. In unseren Gesprächen fielen häufiger „untergegangene“ Namen, von denen wir schon etwas gelesen oder gehört hatten. Und plötzlich stießen sie Erinnerungen an! Verknüpfen und Anstoßen – so verstehen wir die Ausstellung der Geschichtswerkstatt „Rostock. Meine Geschichte“ im Kröpeliner Tor. Die präsentierten Alltagsgegenstände und deren Geschichten sollen zum einen den individuellen Blick und die persönliche Erinnerung von Rostockern auf ihre Stadt zeigen und zum anderen die Besucher anstoßen, sich selbst zu erinnern.
Weit über 100 Privatpersonen und Institutionen haben sich als Leihgeber an der Ausstellung beteiligt. Einige reichten ein Exponat ein, andere kamen zwei-, manche dreimal, um einen „ganzen Schwung“ an Gegenständen der verschiedensten Art abzugeben. Der vorliegende Katalog kann nur eine kleine Auswahl der Erinnerungsstücke berücksichtigen. Vor allem erreichten uns auch nach Redaktionsschluss noch hochinteressante Objekte, die wir, gemeinsam mit der jeweiligen Anekdote, in der Ausstellung präsentieren werden. Während der „Sammlungsphase“ überraschte uns, dass nicht nur Rostockerinnen und Rostocker unserem Aufruf folgten, sondern auch ehemalige Einwohnerinnen und Einwohner. Sie kamen aus Hamburg, Großhansdorf, Berlin oder Bützow angereist und brachten seit Jahrzehnten aufbewahrte Erinnerungsstücke mit. Für sie war der Besuch ihrer alten Heimatstadt und das Gespräch mit uns über ihre Erinnerungen ein emotional aufgeladenes Erlebnis, das am 3. Juni 2018, dem Tag der Ausstellungseröffnung, einen weiteren Höhepunkt erfahren wird. Für die Organisation und Durchführung der Ausstellung im Kröpeliner Tor sowie die Erstellung und den Druck des Begleitkataloges möchten wir uns herzlich bei der Stadt Rostock, dem Land Mecklenburg-Vorpommern und der Stiftung Mecklenburg bedanken. Und selbstverständlich gilt unser Dank den vielen Leihgeberinnen und Leihgebern, ohne die die Ausstellung nicht zustande gekommen wäre.
Dr. Antje Strahl, Anne Paschen