Editorial
Vorwort
„22. Dezember 1998
Sehr geehrter Herr Dr. Stutz.
Vor 2 Monaten etwa hatte mein Schulfreund Gernot Eschenburg aus Warnemünde in der ‚OZ‘ über ihr Projekt gelesen und daraufhin das Heft Nr. 5 ‚Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter zwischen Warnow und Barthe‘ erworben und mir ein Exemplar zugeschickt mit der Bemerkung, Sie seien möglicherweise an dem Kriegsgefangenenlager B 304 in der Düne zwischen Warnemünde und Markgrafenheide interessiert, über das man im Heft nichts las. (...)
Die meisten Ehemaligen aus dem B 304 sind inzwischen hoch in den Achtzigern und verkehren noch brieflich untereinander bzw. via ,La cloche‘, die heute noch zweimal jährlich erscheinende Lagerzeitung. Darin steht nichts mehr von geschichtlichem Belang, aber lesenswert ist, wenn man Französisch kann, das Album, das die Kameraden gleich nach 45 druckten und bebilderten. Es enthält minutiös die Geschichte des Lagers, basierend auf Tagebuchaufzeichnungen des einen oder anderen mit den jeweiligen Entstehungsdaten, dazu Betrachtungen, Gedichte, aber auch die Geschichten besonders bewegender Ereignisse der 5jährigen Klausur. Ich könnte Ihnen das ,Buch‘ leihen.
Klaus Dördelmann“
Gerade hatte die Geschichtswerkstatt Toitenwinkel ihr „Zwangsarbeiterheft“ herausgeben – die 1.000er Auflage drohte bereits zur Neige zu gehen –, als diese Offerte eintraf.
Wie hatten sich die Autoren des Heftes gemüht, aus dem verstreuten und dünnen Material (vieles wurde bis 1945 vernichtet) ein Bild über dieses dunkle Kapitel mecklenburg-vorpommerscher Geschichte auszuarbeiten. Mit dem Angebot bestand nunmehr die Möglichkeit, in eine mehrere hundert Seiten starke Kriegsgefangenenchronik Einblick zu nehmen. Ein einmaliger Glücksumstand, wie man ihn als Historiker nur sehr selten erlebt.
Seitdem sind vier Jahre vergangen, und es kann nun endlich das Ergebnis – eine kommentierte Übersetzung der Lagerchronik – vorgelegt werden. Bis zum Druck galt es zahlreiche Klippen zu umschiffen: Auflösung der Geschichtswerkstatt Toitenwinkel, Suche eines Übersetzers, Einwerben der Mittel, Publikationsmöglichkeit etc.
Dank der Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern und der Hansestadt Rostock liegt nunmehr ein einmaliges Zeitdokument vor – die Geschichte eines Kriegsgefangenenlagers aus der Sicht seiner Insassen. Ihre Schilderungen ermöglichen einen bisher nahezu unbekannten Blick auf die Rostocker und ihre Stadt zwischen 1941 und 1945.
Es ist die Sicht französischer Militärgeistlicher, die 1940 in Gefangenschaft gerieten und auf der Hohen Düne inhaftiert wurden. Nachvollziehbar ist ihr Haß auf die Deutschen, verständlich ihr Zynismus und ihre Schadenfreude, wenn die Alliierten Rostock bombardierten. Trotz dieses die gesamte Chronik durchziehenden Grundgestus’ sind aber auch Passagen der Differenzierung enthalten. Die Deutschen werden sehr wohl nicht pauschal betrachtet, die alliierte Bombardierungsstrategie wird kritisch hinterfragt und die Haltung französischer Militärangehöriger gegenüber deutschen Gefangenen verurteilt, um nur einige Beispiele zu nennen. Hoch interessant ist auch die Sicht auf die Befreier, die Rote Armee.
Die Geschichtswerkstatt Rostock und die Herausgeber danken allen, die die Entstehung des Buches mit Rat und Tat förderten.
Dank schulden wir Abbé Michel de Gastines (Montmirail), Klaus Dördelmann (Köln), Gernot Eschenburg (Rostock), Florian Ostrop (Wismar), Kathrin Möller (Schwerin) und Angrit Weber (Rostock).
Zu großem Dank sind wir Dr. Klaus-Joachim Lorenzen-Schmidt (Glückstadt) verplichtet, der in aufopferungsvoller Intensität das Projekt, insbesondere die Übersetzung, begleitete.
Unser Dank gilt aber auch dem Archiv der Hansestadt Rostock, insbesondere Dr. Karsten Schröder, für die Möglichkeit, die vorliegende Chronik in der Schriftenreihe des Stadtarchivs zu veröffentlichen.
Dr. Arnaud Liszka, Dr. Reno Stutz
Inhalt
Zum Geleit (Michel de Gastines)
Vorwort (Arnaud Liszka, Reno Stutz)
Zur Zwangsarbeit für den NS-Staat in Mecklenburg. Eine Einführung (Florian Ostrop)
Chronik. 1941-1945